Von Wolfsburg nach Brandenburg
Freitag, 5. Juni 2015
Wir fahren heute nach Haldensleben, Km 299.7, um Catherine und Geri von der „Tasman“ zu treffen. Nach 55 Km treffen wir kurz vor drei Uhr nachmittags ein und machen an einem Quai fest. Im kleingedruckten der Tafel am Quai lesen wir, dass wir für dieses Quai die Bewilligung der Stadt Haldensleben benötigen. Wir rufen da an und erhalten die Genehmigung.
Gut, dass wir das getan haben, denn bald schon kommt ein VW Bus der Polizei um die Ecke. Es steigen zwei Wasserschutz-Polizisten aus und kommen zur RIA. Surli begrüsst sie und erklärt schon bei der Begrüssung, dass wir bei der Stadtverwaltung angerufen hätten. Genau dies wollten wir hören, erklärt der Wortführer und wünscht uns einen schönen Aufenthalt.
Catherine und Geri laden uns zum Apéro auf ihr Schiff ein, das im Jachthafen auf der anderen Seite des Kanals liegt. Wir wollen mit dem Fahrrad dahin und stellen fest, dass Dominique’s Velo im Vorderrad Reifen keine Luft hat. Geri meint, dass er an einer Fahrradwerkstadt vorbeigefahren sei, als er zur Stadt radelte. Das sei nicht weit von hier, aber Surli müsse aufpassen, die Werkstatt sei in einem Hinterhof. Also ja nicht daran vorbei fahren!
Um viertel vor Sechs erreicht Surli den Fahrradladen und stellt fest, dass der um sechs Uhr schliesst. OK - wahrscheinlich kann ich das Rad nur abgeben und muss es wohl morgen abholen, denkt Surli. Weit gefehlt, um fünf nach sechs Uhr verlässt Surli mit frisch repariertem Rad den Laden! Und was es gekostet hat? Einmal Reparatur plus ein neuer Schlauch, inklusive aufpumpen hat weniger als zehn Euro gekostet.
Catherine und Geri haben derweil den vorbereiteten Apéro von ihrem Schiff geholt und alles steht wunderbar auf dem Achterdeck bereit, als Surli wieder zurückkommt.
Wir geniessen den liebevoll zubereiteten und sehr feinen Apéro und haben uns viel zu erzählen über die bisherige Reise, wo wo’s noch hingeht und was sonst so alles passierte, seitdem wir uns im letzten Winter letztmals gesehen haben. Dann machen wir uns auf in die Stadt, wo Geri schon einen Tisch für das Nachtessen reserviert hat.
Da nun ja alle Fahrräder wieder funktionstüchtig sind, radeln wir zur Stadtmitte und speisen draussen in der Brasserie am Markt.
Geri und Surli: die Karte studieren.
Catherine: warten auf das feine Essen.
Samstag, 6. Juni 2015
Wir legen um 08:15 Uhr ab und fahren bis Burg, Km 333. Wir haben 34.3Km und eine Schleuse vor uns.
Da kommt uns ein Schubschiff ohne Schuten (Schubleichter) entgegen. Sieht irgendwie nicht ganz fertig aus, da dies ja eigentlich nur der hintere Teil eines Frachtschiffs ist. Darum nennen wir Schuber, die alleine kommen, etwas respektlos „Würfeli“ (für nicht Schweizer: kleiner Würfel).
Ein Schubschiff alleine ist ein relativ seltenes Bild, denn normalerweise bringen die die vollen Schuten hin und nehmen die inzwischen gelöschten Schuten gleich wieder mit. Dann fahren sie zurück, bringen die leeren Schuten und nehmen die inzwischen geladenen Schuten wieder mit. Diese Schubverbände können bis zu 175 Meter lang werden. Und das ohne Bugschraube an den Schuten, aber mit zwei starken Motoren. Das erstetzt ein Stück weit die Bugschraube, wenn man den einen Motor vorwärts und den anderen rückwärts laufen lässt.
Grosses Getreidesilo. Hier funktioniert der Schiffstransport noch sehr gut.
Bei Magdeburg erreichen wir die riesengrosse Kanalbrücke über die Elbe.
Die Zufriedenheit - so heisst das Schiff vor uns - muss warten…
…bis die Böhmerwald von der Brücke ist. Der wechselseitige Einbahnverkehr wird durch die Schiffe selber über VHF Funk Kanal 10 geregelt.
Die Kanalbrücke ist immens! Länge: 918m (fast ein Kilometer!), Breite: 43m, lichte Höhe über der Elbe: 6.25m, längste Spannweite zwischen zwei Pfeilern: 106m. Baubeginn 1998, Inbetriebnahme 2003. Übrigens: auf einer Kanalbrücke lastet praktisch immer dasselbe Gewicht, egal wie schwer das Schiff ist. Weil ein Schiff immer gleich viel Wasser verdrängt, wie es selber schwer ist. Ein geladenes Frachtschiff schiebt zwar immer auch Wasser vor sich her (das nennt man "Schwell"), diese Welle schiebt das Schiff natürlich zusätzlich auf die Brücke, aber dieses Gewicht ist ein Bruchteil des Schiffsgewichts.
Wegen den hohen Spundwänden auf beiden Seiten sieht man vom Schiff aus relativ wenig von der Elbe.
Kurz nach der Kanalbrücke erreichen wir die Schleuse Hohenwarthe: Hub 18.6 Meter! Zum Glück hat es hier Schwimmpoller, so dass es relativ easy runter geht. Die Schwimmpoller müssen aber immer überwacht werden: wenn sich einer verklemmt, hängt sich das Schiff auf!
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Leitschiene des Schwimmpollers |
Wir fahren durch das verwirbelte Wasser aus der Schleuse. Das erfordert höchste Konzentration, denn bis zur Ausfahrt haben wir sicher 8 - 9 Km/h. Das würde dann schön scheppern! Die Schiffer dem: dann musst du neues Geschirr kaufen...
Hier beginnt nun der Elbe-Havel-Kanal. Die Kilometrierung wird vom Mitteland-Kanal übernommen und fortgesetzt.
Wir haben in Burg gleich am Anfang des Quais festgemacht. Der Richard will auch noch zwischen dem Frachter (der nach uns kam) und uns anlegen.
Der zerbeulte Bug wirkt zwar nicht sehr vertrauenerweckend, aber der der Schiffsführer und der Matrose haben’s im Griff!
Sonntag, 7. Juni 2015
Da Surli heute Geburtstag hat, legen wir nach einem mit Liebe von Dominique zubereiteten Frühstück erst um 10:05h ab.
Im Rahmen des Ausbaus des Kanals wurden zahlreiche Kurven begradigt. Hier sieht man hinter dem kleinen Damm eine so genannte „alte Fahrt“.
Nicht jede Begradigung hat ihren Weg ins Kartenmaterial gefunden. So fahren in der elektronischen Wasserkarte die Melvin und die RIA (gelber Pfeil) durch die Botanik. Zum Glück nur auf der Karte und nicht im realen Leben!
Das Kanalsystem wird vom Rhein bis zur Oder für die heutige Euronorm-Schiffe ausgebaut. Das bedeutet: Koppel- und Schubverbände bis L 175m, Einzelschiffe bis L 110m, B 11.4m.
Da werden hunderte von Millionen investiert!
Und so sieht das dann in der Realität aus. Hier ist die Brücke schon neu gebaut, es wird jetzt ausgebaggert.
Wir warten vor der Schleuse Zerben auf die Melvin. Der Freizeitkapitän in der kleinen Motorjacht hat nicht einmal nach hinten gekuckt! Die Leute wissen gar nicht, dass sie ihr Leben auf’s Spiel setzen.
Die neue Schleusenkammer nach Euronorm ist neben der alten Schleuse im Bau.
Hinter der Melvin und vor den Motorjachten in die Schleuse. Eingefahren wird in der Reihenfolge von Gross nach Klein.
Nach der Schleuse beginnt eine der zahlreichen „Regelstrecken“, die für die Baustellen eingerichtet sind:
Es gibt drei Verkehrsgruppen. Die kleinste ist Verkehrsgruppe 1, da gehören wir dazu. Dann gibt es die Gruppe 2 für Schiffe bis 110m Länge und Gruppe 3 für Schubverbände bis 175m Länge. Die Kleinfahrzeuge bis 15m sind von der Verkehrsregelung nicht betroffen. In jeder Regelstrecke ist ein separater Funkkanal bestimmt für die Kommunikation der Schiffe der Verkehrsgruppen untereinander. Es gilt ein Begegnungsverbot (für Autofahrer: kreuzen verboten) für die Verkehrsgruppen 2 mit 3 und 3 mit 3. Die Verkehrsregelung wird zwischen den Schiffen über den erwähnten, separaten VHF Funkkanal abgesprochen: man meldet die Einfahrt in die Regelstrecke (auch Verkehrsgruppe 1 - dazu gehören wir), ein sich bereits in der Regelstrecke befindliches Schiff muss sich melden und fährt weiter, derweil das andere Schiff warten muss. Bei gleichzeitigem Eintreffen auf beiden Seiten hat der Talfahrer (wie immer) vortritt. Wir können sagen, dass das wirklich gut durchdacht und organisiert wurde.
Die Melvin vor uns meldet auf Kanal 6 „Zweimal Regelstrecke zu Berg“, was heisst, zwei Schiffe fahren zu Berg in die Regelstrecke ein. Ausser Melvin hören wir nichts auf dem Funk, also keiner in der Regelstrecke.
Doch plötzlich kommt doch unangemeldeter Gegenverkehr. Auf die Rüge vom Melvin behauptet der, er hätte sich gemeldet. Surlis Kommentar am Funk: „RIA hat auch nichts gehört“. Dann ist es ruhig…
Das Ganze ist natürlich extrem eng! Und den vorgeschriebenen Wahrschauer (ein Matrose, der am Bug steht und kuckt, ob was kommt) hatte der Schiffsführer des Schubers auch nicht nach vorne geschickt. Surli rügt den unfreundlichen Schiffsführer des Schubers über Funk: "und einen Wahrschauer hast Du auch nicht am Bug". Da pellt sich rasch ein dicker Matrose aus dem Steuerhaus und wuchtet sein 120 Kg auf dem Gangbord nach vorne...
Das Ergebnis der Geschichte: die Melvin läuft voll geladen auf Grund und wird abgedreht. Der Schiffsführer hat Mühe, sich wieder frei zu manövrieren, was ihm aber letztlich doch gelingt.
Weiter geht es durch die Baustelle. Da heute Sonntag ist, haben wir wenigstens nicht auch noch den Baustellenverkehr.
Nach der Schleuse Wusterwitz wollen wir Feierabend machen, doch Melvin ruft uns am Funk auf und empfiehlt uns, noch bis Brandenburg zu fahren. So gelangen wir erstmals ins Seengebiet. Hier die Seegartenbrücke (Km 380.8), dahinter fährt die Melvin bereits auf dem Plauer See.
Die Zahl der Freizeit- und Mietschiffe nimmt schlagartig zu.
Von diesen schwimmenden Baracken hat es unzählige. Der Mann auf dem Bild links, der da so unbeteiligt in die Landschaft kuckt, ist derjenige, der gerade fährt…
Wir legen kurz vor sechs Uhr abends in Brandenburg an. Es wurde letztlich doch noch ein langer Fahrtag. In Genthin konnten wir mangels Anlegemöglichkeiten nicht festmachen und sind nun so halt zwei Tagesetappen an einem Tag gefahren: 59.4Km, zwei Schleusen. Aber am Geburtstag gönnt man sich auch was...
Dominique zaubert eine sehr feine, kalte Platte zum Geburtstag auf den Tisch.
Der Champagner darf an so einem Tag natürlich auch nicht fehlen. Prosit!
Und das schöne Geschenk, heimlich von Dominique in der Autostadt gekauft, ist wirklich toll! Danke Domi!
So, das war’s für heute. Wie es uns in Brandenburg erging und wie die weitere Reise verlief, kannst Du im nächsten Reisebericht lesen.
Strom, ein grosses Thema in Deutschland.